29./30. März 1955

Im Anschluss an antisemitische Schauprozesse in der Tschechoslowakei wird der hochrangige SED-Funktionär Paul Merker zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt. Vorgeworfen werden ihm u. a. der Einsatz für die Anerkennung Israels und die Entschädigung von Jüdinnen und Juden.

Paul Merker war hochrangiges SED-Mitglied und maßgeblich an dem Aufbau der SED-Herrschaft in der DDR beteiligt. Er setzte sich für das Existenzrecht Israels ein und machte sich stark für eine Entschädigung von Holocaustüberlebenden. Als einziges hochrangiges SED-Mitglied trat er für die Rechte der NS-Opfer ein. Dafür fiel er in Ungnade.

Am 22. August 1950 wurde Merker zusammen mit anderen SED-Funktionären aus der Partei ausgeschlossen. Dies stand im Zusammenhang mit dem Budapester Schauprozess gegen den ungarischen Außenminister Lázló Rajk und weitere seiner Weggefährten. Rajk und die anderen Angeklagten wurden zum Tode und zu lebenslanger Haft und Zuchthaus verurteilt. Ihr Prozess wies antisemitische Tendenzen auf und reiht sich ein in die stalinistischen Säuberungen der damaligen Zeit.

Merker saß zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft in Hohenschönhausen. Am 29./30 März 1955 fand vor dem 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR ein nichtöffentlicher Prozess gegen Merker statt. Dort wurde er zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde als "Judenknecht" bezeichnet und als Imperialist und Agent diffamiert. Merker wurde außerdem vorgeworfen, "die ausnahmslose Entschädigung aller aus Deutschland emigrierten Juden" gefordert und "zionistische Tendenzen" vertreten zu haben.

Oberstes Gericht der DDR